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Wie plane und halte ich eine Hochzeitsrede? - Rhetorik-Experte Michael Rossié teilt seine Tipps für eine rundherum gelungene Rede zur Hochzeit.

Tipps für eine gelungene Hochzeitsrede - so bleibt Ihre Rede in guter Erinnerung

Auch wenn Sie kein geübter Redner sind, können Sie eine persönliche und emotionale Rede auf einer Hochzeit halten



 

Rhetoriker Michael Rossié
Autor: Rhetorik-Experte Michael Rossié

"Hilfe, ich soll eine Hochzeitsrede halten!!!"

 

Ihre Tochter oder Ihr Sohn heiratet? Der beste Freund hat einen Partner fürs Leben gefunden? Ihre Lieblingskollegen wollen nach 10 Jahren des wilden Zusammenlebens endlich Trauringe? Na, dann wird es Zeit, über eine Hochzeitsrede nachzudenken!

Vielleicht finden Sie das altmodisch, nicht mehr zeitgemäß oder völlig überflüssig. Viele Menschen finden das nicht. Es ist für das Ehepaar ein ganz besonderer Tag und die Helfer bei der Vorbereitung wollen alles tun, damit der Tag auch wirklich besonders wird. Und was wäre da geeigneter, als wenn ein lieber Mensch wie Sie alle zu Tränen rührt, und zwar egal ob Tränen der Rührung oder Freudentränen.
Aber so einfach mal Menschen zum Lachen oder Weinen zu kriegen ist gar nicht so einfach. Meistens reden ja auf Hochzeiten die Menschen, die es nicht gelernt haben, öffentlich zu reden, geschweige denn in einer größeren Gruppe von Menschen bestimmte Gefühle zu erzeugen. Wenn das so einfach wäre, würde das jeder dauernd machen. Die Vorlesung über Atomphysik wäre auf einmal unterhaltsam und bliebe damit besser im Gedächtnis. Der Vortrag der Vorsitzenden der Wohltätigkeitsorganisation wäre so emotional, dass sich alle darum reißen, spenden zu dürfen, und die Rede beim Treffen einer politischen Gruppierung wäre so mitreißend, dass alle Zuhörer anschließend tagelang Plakate spazieren tragen oder in den Hungerstreik treten.

So schwierig ist es bei einer Hochzeitsrede nicht, und man muss auch kein Profi sein, um den Zuhörern ein paar unvergessliche Momente zu schenken. Der Hauptgrund ist, dass man auf ein sehr geduldiges Publikum trifft. Denn die wichtigste Voraussetzung, damit die Emotionalisierung von Zuschauern gelingen kann, ist deren Einverständnis. Wenn Sie die Schnulze Ihrer Partnerin nicht berührend finden wollen, wird sich keine Träne zeigen. Und wenn Sie sich entscheiden, dass das Geballer in dem Film, den Ihr Partner ausgesucht hat, nur albern ist, werden Sie lachen, anstatt sich die Fingernägel abzukauen.
Bei einer Hochzeitsgesellschaft können Sie aber davon ausgehen, dass alle förmlich darauf warten, dass es unterhaltsam wird. Man rechnet, ja man wartet vielleicht sogar darauf, eine Träne zu vergießen oder sich köstlich zu amüsieren. Der ganze Tag wird ja ständig durch Zeremonien, Dekoration, gefühlvolle Worte und Symbole aufgeladen, damit genau das eintritt.
Tipp: Keine Panik: Sie müssen nicht perfekt sein!

In dieser Situation müssen Sie nicht perfekt sein. Sie dürfen Fehler machen, die einem Profi nicht verziehen würden. Manchmal ist es sogar gerade die mangelnde Perfektion, die bei einem Redner besonders rührend wirkt. Das gilt natürlich nicht für professionelle Keynote-Speaker oder Vortragsredner. Aber bei Laien werden verwackelte Fotos, eine schlecht erzählte Geschichte, scheußliche Basteleien und alberne Spiele wohlwollend aufgenommen, weil man die Absicht dahinter errät: Man möchte seine Liebe und Verbundenheit zum Brautpaar zeigen. Man will Gutes tun, man will zeigen, wie sehr man sich vorbereitet hat. Ähnlich wie bei einem kleinen Kind, bei dem man die einfachste Bastelarbeit bewundert, wenn sie nur selbst gemacht ist und von der Zuneigung zum Beschenkten erzählt.

Haben Sie also keine Angst, Sie könnten etwas falsch machen. Das geht nicht. Das Publikum wird Sie für Ihren Mut, Ihre Arbeit, Ihre Mühe und jede kleine Idee bewundern, die Sie haben. Es wissen alle, dass so eine Rede meist nicht so ganz freiwillig erfolgt.
Damit das Ganze dann doch womöglich besser wird als die Durchschnittshochzeitsrede gebe ich Ihnen hier ein paar Tipps vom Profi, wie der an so eine Rede herangehen würde. Aber übernehmen Sie bitte nicht kritiklos, was ich Ihnen vorschlage. Sie sollten nur die Ideen übernehmen, die Ihnen gefallen, bei denen Sie strahlen, bei denen Sie sofort eine Idee hätten, wie Sie das umsetzen könnten. Denn eine Hochzeitsrede sollte so individuell sein wie die beiden Menschen, die da heiraten und dem, der sie hält, passen wie ein Maßanzug.
Je persönlicher, desto besser!
Tipp: Nehmen Sie persönliche Erfahrungen & Geschichten in die Rede auf.
Am interessantesten sind persönliche Gedanken. Suchen Sie nach Augenblicken, nach Geschichten oder Unterhaltungen, die Ihnen mit dem Brautpaar in Erinnerung geblieben sind. Das ist für alle das Spannendste. Und da Sie sich jetzt noch daran erinnern können, sind diese Geschichten meistens auch für andere interessant. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bei so einer Gelegenheit die banalsten Anekdoten hörenswert sind. Da will jemand immer Zucker zum Kaffee, nimmt ihn aber nie. Da kauft sich jemand dauernd neue Sportklamotten, treibt aber keinen Sport, da kann jemand nicht genug davon bekommen, immer wieder von seinem Tennissieg zu erzählen. Die meisten Anwesenden kennen ja zumindest einen Teil der Geschichte und lachen, weil sie alles wiedererkennen und sich als „Eingeweihte“ fühlen.
Woher kommt das Material?
Tipp: Nutzen Sie verschiedenste Quellen zur Recherche und Inspiration.

Wenn Ihnen gerade nichts einfällt, dann sehen Sie sich alte Fotoalben an, gehen alte Terminkalender durch und kramen in Nostalgieschubladen. Sie müssen den „Arbeitsspeicher“ für das Brautpaar aufmachen, die Phantasie anregen. Wenn ich professionell Geschichten suche, gehe ich das Branchentelefonbuch durch. Fast jeder Eintrag einer Firma oder Dienstleistung bringt mich auf eine Idee. Bei Ihnen verknüpft ihr Gehirn die Branche oder Dienstleistung mit dem Brautpaar, und wenn es da etwas gab, wird ihnen das jetzt einfallen. Sie können auch das Alphabet oder den Jahreslauf durchgehen.

Am Anfang sammeln Sie nur. Vielleicht wollen Sie mal herumtelefonieren, andere Freunde und Gäste fragen, vielleicht recherchieren Sie mal in den sozialen Medien. Sie müssen jetzt überhaupt noch nicht wissen, was Sie mit den Fundstücken anfangen werden. Viele werden in der Rede gar nicht auftauchen, aber Sie wissen jetzt noch nicht welche. Und je früher Sie mit dieser Sammlung anfangen, desto besser. Der Faktor Zeit spielt nämlich auch noch eine Rolle. Wenn Sie nur an einem Tag zwei Stunden Zeit haben, fällt Ihnen deutlich weniger ein, als wenn Sie die zwei Stunden auf zwei Wochen verteilen. Ich bin ein großer Fan, davon, geschenkte Zeit zu nutzen: Warten auf den Bus, Tischdecken, Spaziergang mit dem Hund, Warten auf den Kinofilm… aber ich habe immer einen Zettel dabei.
Bitte nicht chronologisch!
Tipp: Strukturieren Sie Ihren Text nicht chronologisch, sondern thematisch.
Jeder Art der Chronologie ist langweilig. Den Lebenslauf von jemandem oder einem Pärchen in Schritten nachzuvollziehen, zieht sich immer unendlich in die Länge. Das liegt daran, dass Sie bei einer Chronologie ja keinen Schritt auslassen dürfen. Und es sind nun mal nicht alle Stationen im Leben gleich spannend. Dann ging es nach Bielefeld, dann nach Paris und dann an den Ammersee. Das kann nur langweilig werden. Sammeln Sie lieber Geschichten und ordnen die zu Themen. Das Verhältnis zu Tieren, Kindern, Freunden, die Karriere, Geheimnisse oder Vorlieben. Diese Themen bringen Sie dann in eine Reihenfolge und daraus entsteht die Rede. Aber nicht von 1999 bis heute, nicht von Paris an den Ammersee, nicht von Freundin eins bis Ehefrau zwei und nicht von „Ich will nie“ über „Ich will vielleicht“ zu „Ich will“. Alles, was chronologisch ist, ist vorhersehbar und damit ermüdend.
Jetzt mal bitte konkret!
Tipp: Gehen Sie gerne auf konkrete Ereignisse ein und sparen Sie sich austauschbaren Floskeln.
„Unser Brautpaar hat so viele glückliche Tage schon erlebt! Sie haben Familie bereits ausprobiert und Sie haben immer ein offenes Ohr für ihre Freunde!“ Bemerken Sie den Fehler? – Das ist zu allgemein. Derjenige, der das sagt, weiß genau, was damit gemeint ist. Aber die Zuhörer wissen es nicht. Nette Menschen, die schöne Dinge tun, spannenden Dinge erleben und verrückte Dinge vorhaben, sind langweilig. Das wird nur spannend, wenn es konkret wird: „Sie wissen wie ein kolumbianisches Gefängnis von innen aussieht. Nach vier Wochen allein auf einer Nordseeinsel können Sie beurteilen, was es heißt, zu zweit zu sein. Und wenn man bei ihnen um Mitternacht klingelt und Hilfe braucht, wie mir das schon passiert ist, dann wird noch Essen gemacht!“ Das Konkrete schlägt das Allgemeine.
Wenn aufschreiben, dann richtig!
Tipp: Achten Sie darauf, dass Ihr Manuskript leicht zu lesen und gut strukturiert ist.
Wenn Sie sich Text aufschreiben wollen, weil Sie ahnen, dass Sie zu nervös sind, um frei zu sprechen, beginnen Sie am besten mit jedem Satz eine neue Zeile. So finden Sie immer wieder den Faden, wenn Sie ins Publikum geguckt haben. Ich schreibe alles in einer Serifenschrift auf (Serifen sind die kleinen Verdickungen an den Buchstaben, die uns helfen leichter in der Zeile zu bleiben) und vor allen Dingen groß genug. Sie wissen nicht, wie die Beleuchtung im Saal ist. Arbeiten Sie nicht mit zu vielen Sprechzeichen. Ein dicker Stift für irgendwelche Zeichen im Text muss genügen. Wenn Sie mit vier Farben, Verdickungen, Unterstreichungen und Großbuchstaben arbeiten, kommen Sie nur durcheinander. Und setzten Sie die Satzzeichen wie Sie sprechen. Nicht wie es - richtig ist. Grammatik? tut nichts zu Sache!!! Satzzeichen helfen! Und am besten: Gleich Ihnen!
Keine gefalteten Zettel in der Hosentasche!
Tipp: Arbeiten Sie Ihr Manuskript aus und verändern Sie kurz vorher nichts mehr.
Beschreiben Sie Ihr Manuskript nur einseitig, lassen Sie Platz für den Daumen und wenn Sie nicht gerade hinter einem Rednerpult stehen, benutzen Sie DINA5 oder ein Drittel DINA4 (nicht größer). Außerdem stärkeres Papier (100-120g). 80g-Papier biegt sich durch und Sie müssen das Manuskript mit beiden Händen halten. Die Seiten sind deutlich sichtbar nummeriert, falls Ihnen das Manuskript herunterfällt. (Das passiert häufig.) Zahlen schreiben Sie aus (6hundert, 1Million), längere Wörter mit Binde-Strichen und benutzen Sie Flattersatz. Da orientiert man sich leichter im Text. Die Trennfunktion schalten Sie aus. Getrennte Worte vorzulesen erhöht unnötig den Schwierigkeitsgrad. Am Layout ändern Sie drei Tage vor der Hochzeit nichts mehr. Wir lernen nämlich auch mit den Augen, und alles sollte da stehen, wo es bei der Probe stand. Üben sollten Sie auch. Es kann vor Publikum mehr schiefgehen als bei der Probe.
Frei sprechen?
Tipp: Schreiben Sie keine ganzen Sätze, sondern machen Sie sich Themenstichpunkte.
Sollten Sie frei sprechen wollen, dann machen Sie sich Stichworte. Aber die Stichworte stehen am besten nicht für Sätze, sondern für Themen, für Geschichten, für Anekdoten. Machen Sie aus Ihrer Rede eine Abfolge von Themen, die Sie durch Sätze verbinden, die Sie, wenn Sie wollen, auch aufschreiben können. Schreiben Sie sich auf jeden Fall alle Sachinformationen auf. Zahlen, Daten, Namen, Zitate werden Sie in so einer Stresssituation nicht richtig hinbekommen. Vor 100 Menschen fällt Ihnen der Name der eigenen Mutter nicht mehr ein. Da ist aufschreiben deutlich sicherer und stressfreier.
Mal ganz anders…
Tipp: Seien Sie gerne kreativ bei der Art Ihres Textes.
Vielleicht haben Sie ja auch eine Idee, die dem Thema Hochzeitsrede nochmal eine ganz neue Seite abgewinnt? Schreiben Sie einen Artikel über die Hochzeit, der in einer großen Zeitung oder in der Yellow Press erscheinen könnte (aber dort nicht erscheint). Bringen Sie die gute Fee ins Spiel, die sie interviewt haben, was die beiden schon alles gekriegt haben oder noch kriegen werden. Spielen Sie den Wahrsager, der aus verschiedenen Anzeichen in den letzten Jahren schon erkennen konnte, dass es zur heutigen Hochzeit kommen würde. Vergleichen Sie die verstandesmäßigen Seiten (die beiden mit Nachnamen) mit den emotionalen Seiten (die beiden mit Vornamen) und tun Sie so, als würden Sie vier Personen kennen, die Sie unterschiedlich gerne mögen. Benutzen Sie eine Metapher: Wenn diese Ehe ein Gericht wäre, ein Rezept wäre, eine Versuchsanordnung, die Besetzung für die Arche wäre… usw. Sie können auch ein Märchen schreiben, in dem sich beide finden, einen Krimi, bei dem sich beide fast nicht gefunden hätten oder einen Korrespondentenbericht – direkt aus dem Wohnzimmer der beiden am Abend vor der Hochzeit. Gerade, wenn Sie nicht so sehr viel über das Hochzeitspaar wissen, ist so eine Rahmengeschichte sehr zu empfehlen.
Unperfekt ist perfekt!
Tipp: Haben Sie keine Angst vor Imperfektion.
Wenn etwas schief geht, bieten Sie damit die beste Unterhaltung. Das glauben Sie mir nicht? Dann denken Sie mal nach, wann Sie sich auf einer Hochzeit köstlich amüsiert haben. Es muss ja nicht gleich die Hochzeitstorte umkippen oder der Bräutigam im Mittelgang der Kirche umfallen. Aber wenn so ein paar kleine Dinge schief gehen, ist das wunderbar. Alle Gäste waren Teilnehmer eines einzigartigen Augenblicks und werden noch Jahre später davon erzählen. Ärgern Sie sich jetzt schon mal, dass nicht alles klappen wird, und freuen Sie sich daran, dass Sie möglicherweise der Unterhaltung der anderen dienen. Sie haben gezeigt, wie sehr Sie die beiden mögen, weil Sie sich Arbeit gemacht haben. Die ist das eigentliche Geschenk. Wer sich selbst nicht so ernst nimmt, hat mehr von jeder Hochzeit und tut allen anderen Gästen etwas Gutes.

Michael Rossié


 

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